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Fremd im eigenen Hemd

Es gab seinerzeit eine neue Abmachung: Nämlich so lange einen Fremden bei sich zu beheimaten, bis dieser Onkel Johannes wie aus dem Gesicht geschnitten sei. Dafür war viel Stühlerücken nötig gewesen und der Gewinner, Herr Gaske, mochte nach seinem stillen Triumph der netten Lisette vom Ende des Gangs nicht mehr die Hände schütteln.

Gerüchte machten anschließend die Runde, versammelten sich an Ecken und hängten sich Schilder mit dem Titel „Wahrheit“ um. Ein Glück, dass Dr. Friedrich – der Hauptmann der Gesangspolizei – am Vortag aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Er war bekannt dafür, tüchtig durchzugreifen und hatte sich mit der Finanzierung des Wehklagens der hiesigen Leuchtturmwärter über die Grenzen der Schachbrettwiese hinaus einen schon lange vergessenen Namen gemacht.

Onkel Johannes saß mit dem Fremden jetzt immer öfter vor dem Raclette-Ofen und wies, wenn nötig, auf sein Muttermal hin, das in seinen Umrissen genau den Osterinseln entsprach – nur ein wenig bewaldeter schien. Der Fremde mochte dann nicht  weiter den trotzigen Kindskopf spielen und gab seinerseits eine Anekdote zum Besten: So sei er damals, weit vor seiner eigenen Zeit, in seiner Funktion als Versammlungsfreiheit viel zu oft eingeschränkt worden. Als er dann – wohlgemerkt beim Ortsvorsteher regelgerecht und in dreifacher Ausführung angemeldet – seine Sammlung berüchtigter Beutelschneider im Kirchamt ausstellen wollte, kam niemand. Selbst der Pfarrer, meinte der Fremde, verhielt sich  zusehends abweisender.

Einmütiges Kopfnicken begleitete diese wahrhaft rührende Geschichte und das Abendrot sehnte sich nach den Zeiten des Orange. Das Brot war kross, die Kinder stellten sich der Größe nach an einer Wand auf und Frau Semmeling ordnete ihre Schmetterlinge nach Aktiennamen. Am nächsten Tag stand im Generalanzeiger, dass niemand unter dem Kunstdruck zusammengebrochen war. Das stärkte ganz allgemein das Gefühl des Zusammenhalts. Damit war dann letztendlich auch die Geschichte mit den gefälschten Todesanzeigen vom Tisch.

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