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Kategorie: Prosa

Halbe Stunden

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Langeweile haben sie hier für mich. Man ist überrascht, wie angefüllt ein Tag auf Reha sein kann, mit Seminaren zu Ernährung, Bewegung, Medikamenten und Entspannung. Mit verpflichtenden Angeboten wie Walking, Ergometer, Wassergymnastik, Muskelaufbau,Qigong, Progressive Muskelentspannung, Nordic Walking, Massagen usw. usf. Wie fordernd so ein Tag sein kann – selbst wenn man in einem fordernden Job zu Hause ist. Aber – und hier liegt der wesentliche Unterschied – zwischen allen Angeboten liegen immer wieder wenigstens 30 Minuten Leerlauf. Leerlauf, den jeder anders für sich nutzt.

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Wandlitz – ich werde rehabilitiert.

Pillen

Es waren wohl nicht nur die Streptokokken. Ich hatte einen Herzinfarkt – der ist zwei Wochen her und ich lebe noch. Am Montag nehmen sie mich in die Mangel. Rehabilitationsklinik nennen sie es. Ich kenne das. Ich habe schon Filme gesehen über so etwas. Nach außen eine saubere Fassade und drinnen warten die Ghouls auf mich. Die strenge Physiotherapeutin, der kichernde Sporttherapeut, die kuhäugige Ökotrophologin, der Typ, der immer nur stiert, der Mann mit den gelben Fingern und zwei Packen Zigaretten im Bademantel.

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Wir vom Oberdorf …

Haus_und_Hof_3

Mein Vater hatte sich ein Haus gebaut. Er hatte uns ein Haus gebaut. Meiner Schwester und mir – das betonte er immer. Als es endlich stand, wohnten natürlich erstmal alle drin, das heißt, er residierte, wir wohnten.

Wir wussten damals nichts vom Mythos Eigenheim. Und auch nichts von seinen Begleiterscheinungen, den Magengeschwüren, schlaflosen Nächten und witzelnden Freunden, die meinen Vater mitleidig und vielleicht auch ein wenig neidisch anlächelten, wenn er leicht angetrunken in der Küche vom Hausbau erzählte.

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Italienreise

Terracina_Unterkunft

Die großen Ferien. Wir fuhren immer nach Italien. Terracina. Mein Vater fuhr die ganze Strecke an einem Stück – 12 Stunden saßen wir so im Auto, wenn es gut ging. Gab es Stau vor dem Brenner, konnten es auch gut und gerne 18 Stunden werden.

Ich erinnere mich an die italienische Autobahn und ihre Tankstellen. Nahm eine davon keine Benzingutscheine des ADAC an, fuhren wir weiter. Manchmal blieben wir deshalb ein paar Kilometer vor der nächsten Tanke liegen. Ich lief dann mit meinen Vater und einem Kanister den Standstreifen der Autobahn lang. Wir trugen keine auffällige Warnkleidung. Ich erinnere mich an braungebrannte Tankstellenwärter mit starkem Haar- und Bartwuchs. Ich erinnere mich daran, dass es dort nie Wechselgeld gab. Stattdessen bekam mein Vater Süßigkeiten — kleine Schokoladentafeln oder Cantuccini. Jedes Mal regte er sich darüber auf, beruhigte sich wieder und meinte, Lire seien sowieso nur Spielgeld.

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Alkohol und Gewalt

 

Römisch Eins

Es war meist gegen frühen Nachmittag, dass sich meine Mutter recht komisch verhielt. So komisch, dass selbst ein Sechsjähriger das erkennen konnte. Ich hätte nicht sagen können, dass sie traurig war. Obgleich sie oft am Couchtisch saß und weinte. Mir war der genaue Zusammenhang nicht klar, aber das stets vollgefüllte Glas in ihrer Hand – sie setzte es nie ab, außer zum Nachfüllen – hatte etwas mit ihrer Stimmung zu tun.

Mit diesen Stimmungen vermochte ich umzugehen. Ich musste nur dafür sorgen, dass meine Mutter nicht für uns kochte. Oft genug hatte sie sich selbst und unser Essen verbrannt. Schwerer war, mit dem Verhalten meines Vaters zum Zustand meiner Mutter umzugehen. Wenn es heißt, der Mann habe die Hand gegen seine Frau erhoben, dann hat mein Vater sie viel zu oft auch fallen lassen. Mit Wucht und Kraft. Den körperlichen Auseinandersetzungen gingen stundenlange Diskussionen voraus, die wortreich und mit viel Emphase von meiner Mutter bestritten wurden und einsilbig von meinem Vater: „Du Säuferin, denk an die Kinder.“

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