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Jugendsünden – früher nannte ich es Lyrik

Der Frischzellendampfer wollte gerade anlegen, da kam unter Deck große Unruhe auf. Die lüsternen Metaboliten aus Kabine 8 hatten wieder einmal am Glück herumgespielt. Da die Liebe schon seit längerem blind war, blieb der Besatzung nichts weiter übrig, als die Hoffnung fahren zu lassen. Zwei Monate später erreichte sie eine Grußkarte aus Emmental. Alles sei in Ordnung und man sei im Allgemeinen ja auch nicht nachtragend. Die Karte hing noch einige Zeit am Rasierspiegel, wurde dann aber durch einen Akkupunkturatlas ersetzt, der auf dem Homeshoppingsender dauernd beworben wurde. Es wurde noch manche Nächte gemunkelt, der Bierbrunnen sei letztendlich schuld an allem.

Familie Seewald fühlte sich sehr wohl. Die Sommerfrische hatte alle Familienmitglieder in dem Gefühl bestätigt, dass Österreich eben nicht nur ein Land ist. Besonders der spontane Umtrunk mit den Leckschwestern am Vorabend der Abreise machte ausnehmend großen Spaß. Ricarda, die jüngste, verschenkte Zitronenparfait und fand überhaupt, dass gute Laune unter jedem Stein Platz findet. Frau Seewald hingegen fühlte sich ganz besonders zu einer Straßenkreuzung hingezogen. Da konnte ihr die schweigsame Fango-Packung den Abend beileibe nicht vermiesen. Allein die Äußerung der Leckschwestern, dass sie weder Schwestern seien noch viel mit Lecken am Hut hätten, ließ kurz eine nachdenkliche Stimmung aufkommen.  Doch Ricardas Bruder Ralf rettete die Situation, indem er just in diesem Moment in die  Pubertät kam. Als die Fischbowle langsam zur Neige ging, war es Zeit, Oma Seewald wieder aus der Kiste zu holen. Sie war leicht zerknittert und das vom schweizer Grenzbeamten konfiszierte Ohr fehlte ihr doch sehr, aber das altbekannte Glitzern in ihren Augen war nicht verschwunden. Die Alpen wiegten sich im Takt der Walgesänge aus dem Kosmetikstudio „nail your hands“ gegenüber und selbst die burschikose Nachbarskatze schnurrte als wärs der letzte Tag. Vater Seewald machte noch ein paar lustige Geräusche auf seinem Kehlkopfmikrofon und der Dorfpfarrer streichelte seinen Ministrantenjungen. Heimat sei kein Drehbuch, meinte der Tourist aus Villingen-Schwenningen und alle stimmten ihm zu. Nach Hause, seufzten sie, nach Hause ginge es immer nur, wenn man vorher weg war.

Der Auspuff qualmte noch, als die freundliche Frau zum wiederholten Male die Schlampe direkt vor ihrer Haustür fand. Sie sei nicht immer  eine Schlampe gewesen, meinte Jasmin später bei einer gemeinsamen Kreuzkümmelzigarette.  Hast du einen Namen, oder soll ich dich einfach Schlampe nennen,  hatte die freundliche Frau sie kurz zuvor gefragt und sich dabei unauffällig ein Tischtuch vor den Mund gehalten. Jasmin, antwortete die Schlampe, nenn’ mich Jasmin, so hieß damals unser Freibad, das wir zum Töpfern nutzten. Es hatte keinen 2-Meter-Turm. Ich war nicht immer eine Schlampe, seufzte Jasmin und zog an ihrer  Kreuzkümmelzigarette. Dabei öffnete sie etwas ihre Schenkel, wie es Schlampen in ihrer Arbeitszeit tun. Die freundliche Frau sah sich Jasmins Schamhaare kurz an und tanzte verlegen einen Quickstep. Schambehaarung macht mich immer ganz verlegen, erklärte die freundliche Frau, aber erzähl doch weiter. Währenddessen ging der einsame Boxer aus der Nummer 7 am Fenster vorbei. Als die Schlampe dies sah, machte sie einen Kussmund und bewegte dazu einladend ihre Brüste. Der Boxer täuschte schnell eine Erektion vor, denn das verlangen Schlampen von einem. Ich war Schwesternschülerin, fuhr Jasmin fort. Die Ärzte fuhren Cabrios während die Patienten starben. Das tun sie aus Trotz, sagte Schwester Johannes dann immer. Ich mochte Schwester Johannes, sie erinnerte mich an das grüne Nierenbecken aus dem Schwarzwald, das meine Mutter an die Bedürftigen vermietete. Die freundliche Frau reichte Jasmin daraufhin das Sahnesteif und zwinkerte ihr zu. Schlampen lieben Sahnesteif, das wusste die freundliche Frau.

Beim Gedichtwettbewerb traten noch ein paar kleine Ungereimtheiten auf.

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